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Microsofts kreative Kerntechnik

Früher war das Leben einfacher, auch im Windows-Serverbereich: Man kaufte eine Serverlizenz und wusste, man gehört zu den guten, braven Lizenznehmern. Heute kann man durch mangelndes Lizenzstudium schnell in die andere Kategorie rutschen, weil man die Kernfrage nicht im Fokus hatte – beispielsweise bei einem Tausch der Hardware durch schnelleres Gerät. Wie kommts?

Automatisch mehr Umsatz durch neue Technologie

Microsoft führte vor einigen Jahren, mit Erscheinen von Server 2016, ein neues Lizenzierungsmodell für ihre Serversoftware ein: nach Kernen statt nach Zahl der operativen Server. Das war ein schlauer Move und ein weiterer Schritt zur Ertragsoptimierung. Bereits damals war klar, dass künftige Prozessorgenerationen ihre Leistung aus thermischen Gründen nicht mehr über höhere Taktfrequenzen, sondern nur noch über mehr Kerne steigern konnten. Heutige CPUs haben drei- bis viermal so viele Kerne wie CPUs vor sechs Jahren, damit steigen die Einnahmen für Serverlizenzen proportional.

Das neue Lizenzmodell scheint zunächst simpel zu sein, schließlich weiß die IT ja, wie viele Kerne die CPUs in den Unternehmensservern besitzen. Ganz so einfach ist es dann doch nicht und deshalb muss man ein wenig aufpassen, um legal zu bleiben. Alle im Folgenden beschriebenen Punkte gelten für Microsofts Standard- und Datacenter-Serverprodukte. Die Essentials-Server sind hier außen vor.

Leitsatz 1: Immer mindestens 16 Kerne lizenzieren

Wenn Sie einen alten Server mit einer CPU und vier physischen Kernen haben, sind trotzdem 16 Kerne zu lizenzieren. Gleiches gilt für Zwei-Prozessor-Maschinen: auch hier sind immer 16 Kerne zu bezahlen, selbst wenn physisch nur acht Kerne vorhanden sind.

Noch lustiger wird es bei virtualisierten Servern: angenommen, Sie haben eine Maschine mit zwei CPUs mit je sechs Kernen, also 12 Kernen insgesamt. Würden Sie einen Windows-Server direkt (das heißt ohne Virtualisierung) darauf installieren, müssten Sie 16 Kerne lizenzieren, aber das wissen Sie ja schon.

Wollen Sie aber per Virtualisierung (etwa VMware, KVM oder HyperV) fünf Windows-Server auf dieser Maschine betreiben. Jeder dieser virtualisierten Windows-Server ist nun mit 16 Kernen zu lizenzieren (also insgesamt 80), obwohl in der unterliegenden Hardware insgesamt nur 12 Kerne vorhanden sind, so dass im Schnitt jedem virtualisierten Server nur 2,4 Kerne zur Verfügung stehen.

Microsoft verteilt mehr als vorhanden ist

Bei virtualisierten Servern kann die Kernlizenzierung somit die real in der Hardware vorhandenen Kernen drastisch übersteigen. Man zahlt für jeden virtualisierten Windows-Server 16 Kerne, egal wie viele physische Kerne vorhanden sind. Technisch erschließt sich die Logik „nicht sofort“, betriebswirtschaftlich schon – zumindest für Microsoft.

Besonders absurde Fälle gibt es bei Servern mit sehr vielen Kernen. Aus zwei derartigen Servern mit je 44 Kernen betreibt einer unserer Kunden ein Cluster mit 35 VMs. Der einzige virtualisierte Windows-Server auf dem Cluster ist die Basis für eine sehr schlanke Zeiterfassung. Dieser Server ist mit zwei (!) Kernen schon fast üppig ausgestattet. Bedauerlicherweise ist er für die Anwendung mit 44 Kernen zu lizenzieren, aufgrund des Clusters natürlich auch für den zweiten Server.

Leitsatz 2: Immer die selbe Hardware betrachten

Beim Betrieb eines Clusters mit mehreren Maschinen können oben genannte Regeln nicht über Maschinen hinweg angewendet werden, es zählt immer nur die unterliegende Hardware-Maschine. Betreibt man beispielsweise ein Cluster aus zwei Hardware-Servern mit 20 virtualisierten Windows-Servern, so werden diese aufgrund von Performance-Erwägungen auf die beiden Maschinen verteilt. Insgesamt laufen dann im Cluster (verteilt auf zwei Hardware-Server) 20 VMs, beispielsweise acht auf Server A und 12 auf Server B. Zu lizenzieren sind in diesem Falle jedoch auf jedem der beiden Hardware-Server 20 Windows-Server mit je mindestens 16 Kernen, weil theoretisch – bei Ausfall eines Hardware-Servers – alle VMs auf einem einzelnen Server laufen könnten.

Offenbar bekam irgendjemand bei Microsoft für den Virtualisierungsfall doch ein schlechtes Gewissen, denn man darf mit einer nach obigen Regeln lizenzierten Serverlizenz zwei VMs betreiben – allerdings nur auf einer einzelnen Hardware. Wenn Sie also in dem oben genannten Cluster 20 VMs betreiben wollen, brauchen Sie nur zehn Windows-Serverlizenzen – pro Hardware-Server.

Noch mehr verlieren

Die Überlegung weitergeführt bedeutet auch: bei ungeraden Zahlen von Windows-Server-VMs verlieren Sie eine Lizenz. Bei fünf VMs auf einer Maschine brauchen Sie drei Windows-Lizenzen, Sie könnten damit aber eine sechste VM betreiben. Das gleiche im Cluster bedeutet wieder, dass Sie 2 x 3 Serverlizenzen brauchen. Da jede Hardware für sich betrachtet wird, verlieren Sie in diesem Falle zwei Lizenzen.

Wer jetzt glaubt, mit der Datacenter-Lizenz diesem Preistreiber zu entkommen, der irrt: Leitsatz 2 gilt auch für die Datacenter-Lizenz. Hier dürfen Sie zwar beliebig viele VMs betreiben – allerdings auch nur auf einem einzelnen Hardware-Server. Aufgrund der höheren Preise je Kern rechnet sich das (in diesem Falle für den Kunden 😉 ) erst ab sieben oder acht virtuellen Servern.

Es geht auch ohne

Microsoft betreibt mit seinem Lizenzmodell letztlich eine recht kreative Kernspaltung: physisch vorhandene CPU-Kerne vermehren sich in der virtuellen Sicht, auch wenn nur ein Bruchteil davon genutzt wird. Das geht nicht nur ins Geld, sondern fördert auch komplett versehentliche Unterlizenzierung. Spätestens hier gilt die alte Weisheit: Mit Linux wäre das nicht passiert.

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